Farbenpracht für königliche Augen
Unveröffentlichtes ans Licht zu bringen, ist nicht nur eine reizvolle Herausforderung für Forscher, sondern erst recht für von der Thematik faszinierte Laien und Studierende der Kunstwissenschaft. In diesem Kontext eine Bibel von 1375 aus dem Bestand der Hamburger Kunsthalle mit ihren zum Teil rätselhaften Darstellungen zu bearbeiten, eröffnete zahlreiche Herausforderungen für die zunächst mit der Materie noch nicht so vertrauten Bearbeiter. Diese französische Fassung einer Bibelbearbeitung baut auf einer der Versionen der sogenannten Historia scholastica des Augustinerchorherrn Petrus Comestor (um 1100-1178/79) auf. Ergänzt um apokryphe Texte und Legenden wurde sie von dem Domherrn Guyart Desmoulins ab 1291 bis 1295 in seine Fassung einer Bible historiale umgearbeitet (siehe S. 12f). Die hier vorliegende Handschrift war offenbar nur für königliche Augen bestimmt und wurde Karl V. gewidmet. (...)
Diese ersten Ansätze der Erarbeitung wurden durch eine Ausstellung der Reproduktionen einzelner Miniaturen in der Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg im Herbst 2010 weiter befördert. Ein Symposium, das die Hamburger Ausstellung eröffnete, trug dazu bei, die Bildsprache der Bibel in die Kunst jener Zeit und den Kontext weiterer Werke, die sich heute ebenfalls noch in der Hamburger Kunsthalle befinden, einzuordnen. Eines der Themen war die Frage, inwieweit sich Reflexe der Buchmalerei jener Zeit des späten 14. Jahrhunderts in der Malerei der daran anschließenden Jahrzehnte nachweisen lassen. Mit tatkräftiger Unterstützung des finnischen Kulturinstituts gelang dabei auch der Brückenschlag zu verwandten Werken, die sich heute in Helsinki befinden. (...)
Die Auswahl der hier beschriebenen und kommentierten Miniaturen orientierte sich weniger an einer repräsentativen Abfolge der biblischen Texte als an dem spezifischen Verhältnis von Text und Bild, das die jeweils gewählte bebilderte Seite aufweist. Herausragend ist die mehrere Bildfelder umfassende Eröffnungsminiatur, deren Besonderheiten in Einzelaufsätzen erläutert werden. Aus dem Alten Testament wurde dann den Miniaturen aus dem Buch Daniel und aus dem Neuen Testament aus dem Matthäus-Evangelium der meiste Platz zugestanden. (...)
Aus dem Neuen Testament zeichnen sich die sieben gewählten Szenen aus dem Matthäus-Evangelium durch ihre Erzähldichte, einen klaren Handlungsstrang und eine jeweils überraschende Inszenierung aus. Viele Illustrationen weisen hier eine ähnliche Struktur auf: Der Verursacher oder Auslöser der Szene wird meist ausgespart, aber immerhin durch ein Detail angedeutet, die Verhaltensweisen in dem konkreten Moment durch Körpersprache und Gestik resümiert, die Folgen der Handlung ausgeblendet und so der Schluss dem Betrachter überlassen.
Martina Sitt (aus der Einleitung)
Farbenpracht für königliche Augen
Die Hamburger Bible Historiale von 1375
Herausgegeben von Martina Sitt
unter Mitarbeit von Birthe Rieger
Mit einem Beitrag von Hans-Walter Stork
100 Seiten, 46 Farbabbildungen, 17 x 21 cm, fadengeheftete Broschur
14,80 Euro
ISBN 978-3-936406-34-4
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